Seit dem 3. März 2021 gibt es Demonstrationen in fast allen Städten Senegals. Sie verbrennen Reifen, zerstören Geschäfte, Tankstellen, Polizeistationen und mehr. Warum es dazu kam, erzählt Herr Diouf, Deutschlehrer, in diesem Video.
Burkina Faso: zwischen Klimawandel und kulturellem Wandel
Nach pandemiebedingtem Stillstand der Öffentlichkeitsarbeit zu den aktuellen Entwicklungen in Burkina Faso, boten das Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland (NES) und die Initiative Endlich Afrika am 5. Februar Gelegenheit, eine Online-Veranstaltung zu diesen Themen mit Beteiligten aus Deutschland, Burkina Faso, der Schweiz und Luxemburg, durchzuführen.
Die Lage der Bevölkerung von Burkina Faso hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Als Folge des Terrors kam es zu Flüchtlingsbewegungen innerhalb Westafrikas, wobei Burkina Faso aufgrund seiner geografischen Lage eine Hauptlast schultern muss. Eine Hungersnot für 5 Mio. Einwohner wird befürchtet und jetzt hat die Pandemie in ihrer zweiten Welle Burkina Faso stärker als befürchtet in Mitleidenschaft gezogen. Die Aufmerksamkeit deutscher Medien für Westafrika ist spärlich. Die Auswirkungen der weltweiten Klimakatastrophe sind in der Sahelzone Burkina Fasos bereits seit Jahrzehnten immer deutlicher spürbar. Die Online Konferenz sollte somit Betroffenen und Aktivist*innen Gelegenheit zu Information, Sensibilisierung und Vernetzung bieten.
Die teilnehmenden Referenten, beantworteten Fragen zum Zusammenhang von Terror und Klimawandel, zur Kulturszene, zur politischen Situation des Landes, sowie zum Bildungssystem und zur Pandemie. Seit Jahren stehen sie durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Initiative „Endlich Afrika“ im Austausch.
Dr. Abdoul Salame Kaboré, dem wir diese Konferenz aus Anlass seines 70. Geburtstags gewidmet haben, blickt auf ein Leben ausgefüllt mit sozialem und politischem Engagement zurück. Als Gesundheitsminister unter dem panafrikanisch-sozialistischen Präsidenten Thomas Sankara (Regierungszeit von 1983-87), genießt er heute noch großes Ansehen in Burkina Faso. So war es nur folgerichtig, dass er nach dem friedlichen Umsturz 2014 für die sankaristische Partei zum Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Sourgou gewählt wurde.
Dr. Kaboré berichtete im Eröffnungsvortrag der Onlinekonferenz über die Ausbreitung von Covid 19 und die damit einhergehenden Maßnahmen und Folgen. So wurden einerseits zu Beginn der Pandemie keine hohen Inzidenzen gemeldet und an COVID 19 erkrankte Menschen verkraften die Erkrankung meist ganz gut – was nicht zuletzt auch damit zusammen hängen kann, dass das Durchschnittsalter in Burkina keine 50 Jahre beträgt. Ferner scheint die extrem trockene Hitze, wie auch die doch sehr verbreitete Einnahme von Chloroquin als Malariaprophylaxe auch einen Beitrag gegen einen erschwerten Verlauf der COVID-19-Infektionen zu leisten. Ein harter Lockdown hat jedoch sehr gravierende Folgen auf die ärmeren Teile der Bevölkerung, die dadurch harte Einkommenseinbußen zu verzeichnen hat und deren Kinder durch Schulschließungen die mit dem Schulbesuch einhergehende Verpflegung schlichtweg fehlt. Es wird teilweise Onlineunterricht oder Fernunterricht über das Fernsehen angeboten, kann jedoch von einer großen Zahl an Schüler*innen aufgrund mangelnder Infrastruktur nicht wahrgenommen werden. In der Behandlung von COVID-19-Erkrankten wird auch mit verschiedenen pflanzlichen Präparaten aus der alternativen traditionellen Medizin geforscht und es gibt kleinere Erfolge und positive Krankheitsverläufe, die durch traditionelle Behandlungen begleitet wurden.
Generell zeigt sich, dass das Land einerseits durch innovative Kräfte viele Möglichkeiten hat, der Pandemie zu begegnen – so wurden beispielsweise zahlreiche selbstgebaute Handwaschstationen geschaffen und viele Videos zur Sensibilisierung aufgenommen und verbreitet. Andererseits ist es noch immer nicht einfach in kurzer Zeit einen Coronatest zu machen und es kann noch nicht gesagt werden, wann Impfstoffe ins Land kommen werden. Seit Anfang dieses Jahres sind die Schulen wieder geöffnet und unter den allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln zugänglich.
Der nachfolgende Vortrag von Gerhardt Haag, dem Leiter des africologneFESTIVALs in Köln, gab einen umfangreichen Überblick über die stark ausgeprägte und sehr innovative Kulturszene in Burkina Faso. Zahlreiche Künstler*innen im Bereich Theater, Tanz, Bildender Kunst und Musik widmen sich aktuellen global-politischen Themen (wie das aktuelle Theaterstück von Sinzo Aanza: „Plädoyer, den Kongo zu verkaufen“) oder das Tanztheater „Wakatt“ von Serge Aimée Coulibaly (Deutsche Uraufführung war am 17.09.2020 in Düsseldorf). Bildende Kunstschaffende beziehen bewusst die breite Bevölkerung in das künstlerische Schaffen mit ein (wie das 2020 im November stattgefundene Festival Récréatrales zum Thema: „So kleiden wir uns“) ganz in dem Sinne Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler“.
Der Vortrag von Hamado Dipama, Mitglied des AK Panafrikanismus München, über die politische Situation in Burkina Faso insbesondere über den zunehmenden Terror, bezog sich noch einmal auf die Tatsache, dass es innerhalb des Landes Millionen von Binnengeflüchtete gibt, die aus den Regionen im Norden wie auch im Nordosten fliehen, um den dort sehr häufig auftretenden Terroranschlägen zu entgehen, zumal die zunehmende Unsicherheit dieser Regionen zum teilweisen Erliegen der Infrastruktur führt (wie z.B. Schulschließungen, geschlossene Wahllokale etc.). Sehr eindrucksvoll war das mit Mitteln der europäischen Union aufgestellte Straßenschild im Norden des Landes, welches darauf hin weist, dass die illegale Beförderung von Geflüchteten verboten ist und einer sehr hohen Geldstrafe obliegt. Die Europäischen Grenzen scheinen sich beträchtlich nach Süden über die Sahara hinweg verschoben zu haben.
Der vierte Vortrag von Dr. Fidèle Yaméogo, Universitätsprofessor für Germanistik in Ouagadougou, über das Bildungssystem, stellte sehr eindrücklich dar, welchen Herausforderungen schulische Bildung in Burkina Faso, auch ohne Corona-Pandemie, gegenüber steht. Die Anzahl der Schüler*innen pro Klasse und Lehrkraft ist – insbesondere in den ländlichen Regionen – sehr hoch (80 – 140 Schüler*innen) und die Ausstattung der Schulen auch nicht immer angemessen. Dadurch ist es noch immer nicht möglich alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen zu beschulen. Die Zahl der Abiturient*innen wie auch der Studierenden steigt in den letzten Jahren sehr, so dass es an den Universitäten nun einen größeren Bedarf an Dozent*innen gibt. Es wird versucht über Fernkurse und digitales Lernen sinnvolle Ergänzungen zu Präsenzvorlesungen anzubieten.
Im nächsten Schritt sollen in einer zweiten Online Konferenz, die am 10. März 2021 von 10-12 Uhr stattfinden wird, unter den Teilnehmenden Aktive gefunden und vernetzt werden, die sich gemeinsam für unterstützende Maßnahmen für das Land engagieren möchten. Bundesweit gibt es zahlreiche Initiativen, die dazu bereit sind und denen die Vernetzung durch die Corona-Pandemie erschwert wurde. Anmeldung und mehr Infos unter bildung@nes-web.de.
Kommentar Melanie Malter-Gnanou: „Wir hoffen, dass wir es auf diesem Wege schaffen werden Menschen zusammenzubringen und das Interesse für Burkina Faso aufrecht zu erhalten bzw. zu wecken. Die Länder des Globalen Nordens tragen mit Verantwortung an den Ursachen von Flucht – sei es durch Extremwetterlagen wie Dürren, die zu massiven Ernteausfällen führen oder durch zunehmend instabiler werdende politische Situationen, die als Nebenwirkung einer globalisierten Wirtschaft vermehrt auftreten – sie sollten somit auch mit dazu beitragen die negativen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung abzumildern, Ihnen Chancen auf Teilhabe und eine Stärkung der in Burkina Faso schon sehr gut ausgeprägten Resilienz zu gewährleisten. Hierzu gehört es auch die eigenen traditionellen Systeme von Berufsausbildung, medizinischem Wissen und kooperativem Handeln zu stärken und in eine sinnvolle und passende Kombination mit den Errungenschaften des Globalen Nordens zu setzen – eine ganz besondere Herausforderung die bereits Thomas Sankara in den 80 er Jahren des letzten Jahrhunderts thematisierte. Doch glücklicherweise gilt dessen Devise noch immer „Les idées ne meurent jamais – Die Ideen sterben nie!“ „