Burkina Faso: zwischen Klimawandel und kulturellem Wandel

Nach pandemiebedingtem Stillstand der Öffentlichkeitsarbeit zu den aktuellen Entwicklungen in Burkina Faso, boten das Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland (NES) und die Initiative Endlich Afrika am 5. Februar Gelegenheit, eine Online-Veranstaltung zu diesen Themen mit Beteiligten aus Deutschland, Burkina Faso, der Schweiz und Luxemburg, durchzuführen.

Die Lage der Bevölkerung von Burkina Faso hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Als Folge des Terrors kam es zu Flüchtlingsbewegungen innerhalb Westafrikas, wobei Burkina Faso aufgrund seiner geografischen Lage eine Hauptlast schultern muss. Eine Hungersnot für 5 Mio. Einwohner wird befürchtet und jetzt hat die Pandemie in ihrer zweiten Welle Burkina Faso stärker als befürchtet in Mitleidenschaft gezogen. Die Aufmerksamkeit deutscher Medien für Westafrika ist spärlich. Die Auswirkungen der weltweiten Klimakatastrophe sind in der Sahelzone Burkina Fasos bereits seit Jahrzehnten immer deutlicher spürbar. Die Online Konferenz sollte somit Betroffenen und Aktivist*innen Gelegenheit zu Information, Sensibilisierung und Vernetzung bieten.

Die teilnehmenden Referenten, beantworteten Fragen zum Zusammenhang von Terror und Klimawandel, zur Kulturszene, zur politischen Situation des Landes, sowie zum Bildungssystem und zur Pandemie. Seit Jahren stehen sie durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Initiative „Endlich Afrika“ im Austausch.

Dr. Abdoul Salame Kaboré, dem wir diese Konferenz aus Anlass seines 70. Geburtstags gewidmet haben, blickt auf ein Leben ausgefüllt mit sozialem und politischem Engagement zurück. Als Gesundheitsminister unter dem panafrikanisch-sozialistischen Präsidenten Thomas Sankara (Regierungszeit von 1983-87), genießt er heute noch großes Ansehen in Burkina Faso. So war es nur folgerichtig, dass er nach dem friedlichen Umsturz 2014 für die sankaristische Partei zum Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Sourgou gewählt wurde.

Dr. Abdoul Kaboré (ehem. Gesundheitsminister)

Dr. Kaboré berichtete im Eröffnungsvortrag der Onlinekonferenz über die Ausbreitung von Covid 19 und die damit einhergehenden Maßnahmen und Folgen. So wurden einerseits zu Beginn der Pandemie keine hohen Inzidenzen gemeldet und an COVID 19 erkrankte Menschen verkraften die Erkrankung meist ganz gut – was nicht zuletzt auch damit zusammen hängen kann, dass das Durchschnittsalter in Burkina keine 50 Jahre beträgt. Ferner scheint die extrem trockene Hitze, wie auch die doch sehr verbreitete Einnahme von Chloroquin als Malariaprophylaxe auch einen Beitrag gegen einen erschwerten Verlauf der COVID-19-Infektionen zu leisten. Ein harter Lockdown hat jedoch sehr gravierende Folgen auf die ärmeren Teile der Bevölkerung, die dadurch harte Einkommenseinbußen zu verzeichnen hat und deren Kinder durch Schulschließungen die mit dem Schulbesuch einhergehende Verpflegung schlichtweg fehlt. Es wird teilweise Onlineunterricht oder Fernunterricht über das Fernsehen angeboten, kann jedoch von einer großen Zahl an Schüler*innen aufgrund mangelnder Infrastruktur nicht wahrgenommen werden. In der Behandlung von COVID-19-Erkrankten wird auch mit verschiedenen pflanzlichen Präparaten aus der alternativen traditionellen Medizin geforscht und es gibt kleinere Erfolge und positive Krankheitsverläufe, die durch traditionelle Behandlungen begleitet wurden.

Generell zeigt sich, dass das Land einerseits durch innovative Kräfte viele Möglichkeiten hat, der Pandemie zu begegnen – so wurden beispielsweise zahlreiche selbstgebaute Handwaschstationen geschaffen und viele Videos zur Sensibilisierung aufgenommen und verbreitet. Andererseits ist es noch immer nicht einfach in kurzer Zeit einen Coronatest zu machen und es kann noch nicht gesagt werden, wann Impfstoffe ins Land kommen werden. Seit Anfang dieses Jahres sind die Schulen wieder geöffnet und unter den allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln zugänglich.

Der nachfolgende Vortrag von Gerhardt Haag, dem Leiter des africologneFESTIVALs in Köln, gab einen umfangreichen Überblick über die stark ausgeprägte und sehr innovative Kulturszene in Burkina Faso. Zahlreiche Künstler*innen im Bereich Theater, Tanz, Bildender Kunst und Musik widmen sich aktuellen global-politischen Themen (wie das aktuelle Theaterstück von Sinzo Aanza: „Plädoyer, den Kongo zu verkaufen“) oder das Tanztheater „Wakatt“ von Serge Aimée Coulibaly (Deutsche Uraufführung war am 17.09.2020 in Düsseldorf). Bildende Kunstschaffende beziehen bewusst die breite Bevölkerung in das künstlerische Schaffen mit ein (wie das 2020 im November stattgefundene Festival Récréatrales zum Thema: „So kleiden wir uns“) ganz in dem Sinne Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler“.

Gerhardt Haag, Leiter des africologneFESTIVALs in Köln

Der Vortrag von Hamado Dipama, Mitglied des AK Panafrikanismus München, über die politische Situation in Burkina Faso insbesondere über den zunehmenden Terror, bezog sich noch einmal auf die Tatsache, dass es innerhalb des Landes Millionen von Binnengeflüchtete gibt, die aus den Regionen im Norden wie auch im Nordosten fliehen, um den dort sehr häufig auftretenden Terroranschlägen zu entgehen, zumal die zunehmende Unsicherheit dieser Regionen zum teilweisen Erliegen der Infrastruktur führt (wie z.B. Schulschließungen, geschlossene Wahllokale etc.). Sehr eindrucksvoll war das mit Mitteln der europäischen Union aufgestellte Straßenschild im Norden des Landes, welches darauf hin weist, dass die illegale Beförderung von Geflüchteten verboten ist und einer sehr hohen Geldstrafe obliegt. Die Europäischen Grenzen scheinen sich beträchtlich nach Süden über die Sahara hinweg verschoben zu haben.

Der vierte Vortrag von Dr. Fidèle Yaméogo, Universitätsprofessor für Germanistik in Ouagadougou, über das Bildungssystem, stellte sehr eindrücklich dar, welchen Herausforderungen schulische Bildung in Burkina Faso, auch ohne Corona-Pandemie, gegenüber steht. Die Anzahl der Schüler*innen pro Klasse und Lehrkraft ist – insbesondere in den ländlichen Regionen – sehr hoch (80 – 140 Schüler*innen) und die Ausstattung der Schulen auch nicht immer angemessen. Dadurch ist es noch immer nicht möglich alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen zu beschulen. Die Zahl der Abiturient*innen wie auch der Studierenden steigt in den letzten Jahren sehr, so dass es an den Universitäten nun einen größeren Bedarf an Dozent*innen gibt. Es wird versucht über Fernkurse und digitales Lernen sinnvolle Ergänzungen zu Präsenzvorlesungen anzubieten.

Im nächsten Schritt sollen in einer zweiten Online Konferenz, die am 10. März 2021 von 10-12 Uhr stattfinden wird, unter den Teilnehmenden Aktive gefunden und vernetzt werden, die sich gemeinsam für unterstützende Maßnahmen für das Land engagieren möchten. Bundesweit gibt es zahlreiche Initiativen, die dazu bereit sind und denen die Vernetzung durch die Corona-Pandemie erschwert wurde. Anmeldung und mehr Infos unter bildung@nes-web.de.

Eine der Organisatorinnen: Melanie Malter-Gnanou (NES e.V.)

Kommentar Melanie Malter-Gnanou: „Wir hoffen, dass wir es auf diesem Wege schaffen werden Menschen zusammenzubringen und das Interesse für Burkina Faso aufrecht zu erhalten bzw. zu wecken. Die Länder des Globalen Nordens tragen mit Verantwortung an den Ursachen von Flucht – sei es durch Extremwetterlagen wie Dürren, die zu massiven Ernteausfällen führen oder durch zunehmend instabiler werdende politische Situationen, die als Nebenwirkung einer globalisierten Wirtschaft vermehrt auftreten – sie sollten somit auch mit dazu beitragen die negativen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung abzumildern, Ihnen Chancen auf Teilhabe und eine Stärkung der in Burkina Faso schon sehr gut ausgeprägten Resilienz zu gewährleisten. Hierzu gehört es auch die eigenen traditionellen Systeme von Berufsausbildung, medizinischem Wissen und kooperativem Handeln zu stärken und in eine sinnvolle und passende Kombination mit den Errungenschaften des Globalen Nordens zu setzen – eine ganz besondere Herausforderung die bereits Thomas Sankara in den 80 er Jahren des letzten Jahrhunderts thematisierte. Doch glücklicherweise gilt dessen Devise noch immer „Les idées ne meurent jamais – Die Ideen sterben nie!“ „

Burkina Faso: zwischen Klimawandel und kulturellem Wandel

Online-Veranstaltung mit Dr. Abdoul Salame Kaboré, Bürgermeister in Burkina Faso und weiteren Diskussionspartnern bot Eindrücke direkt aus Burkina Faso

Gemeinsam mit der Initiative Endlich Afrika in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gefördert durch das Netzwerk Selbsthilfe Saar e.V., organisierte das NES e.V. die Online-Veranstaltung „Burkina Faso: zwischen Klimawandel und kulturellem Wandel“ am Freitag, den 5. Februar, von 10 bis 12 Uhr.
Augenzeugen informierten über die derzeitige Situation in Burkina Faso, die gekennzeichnet ist durch akute Hungersnot, Terrorangriffe und COVID 19. Gleichzeitig hat Burkina Faso nach wie vor eine lebendige und vorwärtsweisende kulturelle Szene. Von dieser konnten sich schon mehrere SaarländerInnen, dank jahrzehntelanger Kooperation mit Menschen aus Burkina Faso, selbst überzeugen. Die Konferenz sollte dazu beitragen, Antworten zu suchen, wie die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden können.
Es waren unterschiedliche Referenten eingeladen, um Fragen zu Zusammenhängen von Terror und Klimwandel, zur Kulturszene und mehr zu beantworten:

  • Dr. Abdoul Salame Kaboré in seiner Funktion als Apotheker in Ouagadougou über die Ausbreitung von Covid 19;
  • Gerhardt Haag, Leiter des africologneFESTIVALs in Köln über die Kulturszene des Landes und seine aktuellen Eindrücke vom Festival Récréâtrales, von dem Initiativen zu politischen Veränderungen ausgehen;
  • Hamado Dipama, AK Panafrikanismus München: über die politische Situation nach den Wahlen angesichts von zunehmendem Terror und Binnenflüchtlingen
  • und Dr. Fidèle Yaméogo, Professor der Universtität in Ouagadougou, über das Bildungssystem und die Situation der burkinischen Studierenden angesichts der angespannten Lage.

    Musikalische Beiträge kamen von Seiten der Musiker von Le Balai Citoyen, die die friedliche Revolution von 2014 mit ihrer Bewegung auf den Weg gebracht haben.
    Es wurde eine Übersetzung vom Französischen ins Deutsche und umgekehrt angeboten.


Infos zu Burkina Faso:

Die Veranstaltung war Herrn Kaboré zum 70. Geburtstag gewidmet.
(c) Doris Müller

Der Präsident und Visionär Thomas Sankara regierte Burkina Faso vor über 30 Jahren und wollte das Land auf einen nachhaltigen und friedlichen Weg führen. Aus den damals entstandenen panafrikanisch-sozialistisch orientierten Parteikomitees traten in den 2000er Jahren die „Sankaristen“ als progressive politische Partei hervor. Der ehemalige Gesundheitsminister Dr. Abdoul Salame Kaboré gehört dieser Partei an und versucht die Werte von Thomas Sankara wieder aufleben zu lassen. Am 6. Februar wird Herr Kaboré 70 Jahre alt – ihm war die Veranstaltung gewidmet.

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Die Veranstaltung fand statt in Kooperation mit der Peter-Imandt-Gesellschaft – Rosa-Luxemburg-Stiftung und wird gefördert vom Netzwerk Selbsthilfe Saar e.V., vom Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes und von Engagement Global mit Mitteln des BMZ.

Bericht eines Schulleiters des privaten College St. Henri in Ouagadougou

„Nous avons tenu une réunion le jeudi 7 mai dans notre collège privé saint Henri. La rencontre  a connu la participation de 3 membres de l’administration, des professeurs principaux de classe, 3 membres du bureau de l’association des parents d’élèves. Il s’agit de discuter sur les conditions dans lesquelles nous allons reprendre les cours. Notre collège a pu effectuer 2 trimestres de cours et nous avons commencé le 3ème trimestre avec une semaine de cours et 3 devoirs en moyenne par classe. La classe de 3ème a également pu composé son examen blanc du BEPC. Nous avons souhaité reprendre les cours si seulement les conditions sont favorables c’est à dire : si le gouvernement donne l’autorisation, si nous obtenons les masques pour les élèves et les profs et l’administration, si nous obtenons les kits de lave-mains le savon et le gel hydro alcoolique. Nous avons l’avantage que les effectifs d’élèves par classe ne dépasse pas 40 et pour cela nous prévoyons répartir les activités de cours en 2 vagues. Nous accueillons en premier la classe de 3ème et de 4ème et après la classe de 5ème et 6ème. Ainsi pendant que nous préparons la 3ème à l’examen du BEPC, nous achevons les programmes pour les classes de 4e, 5e et 6e. À l’issue des cours pour ces derniers (un travail sur 1 mois) nous administrons une composition afin de pouvoir calculer une moyenne annuelle en prenant en compte  les 1er et 2e trimestres et la composition.

Tout ce programme tenait dans la mesure où les cours en classe reprenais le 11 mai comme l’avait annoncé le gouvernement. Cependant la reprise a été renvoyé au 1er juin.

Néanmoins pour permettre aux élèves de ne pas rester sans activités, le gouvernement a initié des leçons par la radio et la télé dès le 9 mai selon un planning qui concerne principalement les élèves en classe d’examens (CEPE, BEPC, BAC).Nous attendons donc les nouvelles instructions du gouvernement afin de nous adapter. L’ennui c’est que les avis sont partagés : le gouvernement qui s’organise pour reprendre les cours, les parents qui sont inquiets pour la santé de leurs enfants, les syndicats qui revendiquent. Il nous faut apprendre à vivre avec le covid19. Mais comment ? En faisant beaucoup de sensibilisation sur la maladie, en respectant les mesures barrières et en ayant les équipements nécessaires pour l’hygiène.“

Foto: Außerordentliche Schulversammlung in Zeiten von Corona in Ouagadougou

Bericht von Mathias Knobloch von „Ärzte ohne Grenzen“ zur Lage in Burkina Faso

Immer wieder wurde der Flug in mein Einsatzland gestrichen: Wegen der Coronavirus-Pandemie ist es viel schwieriger geworden zu reisen. Während ich auf gepackten Koffern saß, wurde ich in meinem Projekt dringend gebraucht.
Mittlerweile bin ich endlich in Burkina Faso ankommenund werde hier als Arzt helfen: Das westafrikanische Land steckt mitten in einer akuten Krise: Hunderttausende fliehen vor Gewalt, das Gesundheitssystem ist überfordert und bald beginnt die Malaria-Saison. Zudem brach Covid-19 aus, das Land verzeichnet die größte Infektionsrate südlich der Sahara.

Burkina Faso steht damitbeispielhaft für viele Länder Afrikas: Zwar haben einige afrikanische Regierungen Erfahrungen im Seuchenschutz und schon früh auf die Pandemie reagiert. Doch es mangelt an vielem, vor allem an teurer medizinischer Ausrüstung: In den Krankenhäusern, in denen wir arbeiten, gibt es oft keine stabile Stromversorgung, geschweige denn medizinischen Sauerstoff oder Intensivbetten.In Burkina Faso beispielweise gibt es nur zwölf Intensivbetten für 20 Millionen Bürger.

Ärzte ohne Grenzen bereitet deshalb in vielen Ländern Covid-19-Maßnahmen vor und baut die Intensivpflege aus: Wir senden z.B. nach Burkina Faso eine technische Anlage, die in großen Mengen Sauerstoff für mehrere Dutzend Patienten*innen produzieren wird. Wir arbeiten also an Lösungen, mit denen wir Menschenleben retten.

Hier können Sie Spenden und die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in 70 Ländern der Welt unterstützen.

Der Beitrag wurde eingeschickt von Melanie Malter-Gnanou, Fachpromotorin für Globales Lernen und Internationale Partnerschaften