Wenn das Leben teurer wird – Diskussionsveranstaltung mit Gästen aus El Salvador und Nicaragua am 10. Oktober 2022

Rosa Isabas Galeano und Enrique Picado Álvarez sind Aktivist*innen aus El Salvador und Nicaragua. Im Oktober sind sie zwei Wochen durch Deutschland gereist, um über die Preissteigerungen und die daraus entstehenden Herausforderungen in Zentralamerika zu informieren.

Nicht nur im Saarland, in Deutschland und Europa, sondern überall auf der Welt sind Menschen mit den steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert. Was das für uns hier im Saarland bedeutet und im Vergleich für Menschen aus Ländern in Zentralamerika, wurde am 10. Oktober in einer Diskussion mit Gästen aus Nicaragua, El Salvador und dem Saarland im Saarbrücker Filmhaus zum Thema gemacht. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e. V. in Kooperation mit der Saarländischen Armutskonferenz, der Arbeitskammer des Saarlandes und dem Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e. V..

Zunächst berichtete Rosa Isabas Galeano aus El Salvador (RACDES) über Missstände in ihrem Land: Die Regierung habe 2021 ein neues Wassergesetz zugunsten der großen Plantagen verabschiedet, welches für die allgemeine Bevölkerung keine Vorteile bot (mehr zum Gesetz hier). Außerdem finden junge Menschen nach dem Uni-Abschluss keinen Job und emigrieren nach Amerika. Viele würden auf dem Weg durch Mexiko sogar sterben. Ein weiteres Problem sei die Diskriminierung der Frauen über 50 Jahren. Sie fänden keinen Job und verkaufen oft Dinge auf der Straße wie z. B. Wasser oder Süßigkeiten.

Enrique Picado Álvares aus Nicaragua (MCN) bedauert, an diesem Tag über Armut referieren zu müssen und nicht über Reichtum. Wie ist es zu dieser Armut in Nicaragua gekommen? Migration sei auch hier ein Ergebnis dieser Armut. Alle Menschen der Organisation Movimiento Comunal Nicaragüense von Picado sind freiwillige Mitarbeiter aus der Gemeinde. Sie arbeiten auf verschiedenen Gebieten, zum Beispiel zu Klima und Gesundheit. Sie arbeiten in verschiedenen Netzen für das Wohlergehen und Menschenrechte auf dem Land und in Städten. Nicaragua kämpfe zwischen Armut und Reichtum. Die makroökonomische Situation sei zwar stabil, aber was die einzelnen Menschen in der Tasche haben – da sehe es düster aus. Das makroökonomische Niveau habe mit den Menschen auf der Straße nichts zu tun.

Was Rosa Isabas Galeano berichtet hat, gelte auch für Nicaragua, aber auch für Costa Rica. Es gäbe Familien, die können nicht alle Kinder in die Schule schicken, weil sie kein Geld dafür haben. Luxus wie Ausgehen oder Essen gehen, können sie sich sowieso nicht leisten. Viele sind gezwungen, auszuwandern. Man könnte trotzdem über Programme sprechen, die sich positiv entwickelt haben. Das Gesundheitswesen habe sich zum Beispiel verbessert. Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben gute Schulen, universelle soziale Programme:

„Einer Frau wird zum Beispiel eine Kuh, Schwein oder Henne gegeben, um eine Grundlage aufzubauen.“

Eine große Ungleichheit entstehe auch dadurch, dass circa 30 % der Schwangerschaften, Mädchen unter 18 Jahren treffe. Sie können dann nicht zur Schule gehen und ihren Träumen nachgehen.

Das kapitalistische System unseres Landes bringt uns bei, dass die Armen Schuld sind, dass sie arm sind.

Weitere Probleme seien hohe Lebenshaltungskosten für Klamotten, Schule oder Studium. Große Unternehmer sind nicht an Sozialem interessiert. Die Allerschwächsten / Frauen sind im Griff des Marktes und es gibt keinen Schutzmechanismus. Es sind natürlich auch die lokalen Märkte, die Schuld sind, die wiederum von den großen internationalen Unternehmen abhängen, welche die Umwelt zerstören und z. B. Wasser verschmutzen. Ein weiteres Beispiel sind die Pharmaunternehmen und die Abhängigkeit von teuren Medikamenten. Wir haben viele Motive, uns einzusetzen / zu kämpfen. Die Herausforderung sei der Umweltschutz, Schutz der Wälder, der Tierwelt und Gewässer. Ein Hurrikan habe gerade El Salvador verlassen, erzählt Picado, jetzt gehe er in Richtung Guatemala, die Häuser böten nicht den notwendigen Schutz.

„Gemeinsame Ziele, wofür wir kämpfen sollten, ist der Schutz unserer Menschenrechte. Das betrifft Menschen in Deutschland, sowie in Nicaragua und El Salvador“

Mit dem Vortrag von Michael Leinenbach (Vorsitzender der saarländischen Armutskonferenz) wird klar, dass es auch in Deutschland große Missstände gibt, die durch steigende Lebenshaltungskosten verstärkt werden. Anhand von Einzelschicksalen verdeutlicht er, wie Menschen aus unserem System fallen.

Nach dem Vortrag blieb Zeit für Fragen und eine Diskussion über Handlungsoptionen in den verschiedenen Ländern.

„Protestbewegungen in Lateinamerika – ¡Latinoamerica Resiste!“

Rückblick auf das Lateinamerika-Forum 2020

Das Lateinamerika-Forum 2020 am 21. August in Saarbrücken war eine Premiere für das Team vom NES e.V. : Zum ersten Mal wurde eine Veranstaltung im „Hybrid-Format“ organisiert. Einen Tag lang beschäftigten sich sowohl die Teilnehmenden vor Ort im evangelischen Gemeindezentrum in Saarbrücken wie auch über 25 Online-Zuschauer*innen mit den jüngsten politische Entwicklungen und zivilgesellschaftlichen Widerstandsbewegungen in ausgewählten Ländern Lateinamerikas.

Ulrike Dausend, Geschäftsführerin des NES e.V. und Eva Wessela, Studienleiterin an der EAO eröffneten das Forum und zählten die Fragen auf, mit denen sich die Teilnehmenden dann über den ganzen Tag hinweg beschäftigten: Was passiert gerade in Lateinamerika? Wie ist die Lage in den unterschiedlichen Ländern? Welche Probleme gibt es und was sind die Ursachen hierfür? Was können wir tun? Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Protestbewegungen?

Zur Beantwortung dieser Fragen verschaffte Professor Dr. Werz von der Universität Rostock den Zuhörer*innen im einführenden Vortrag zunächst einen Überblick über die Protestbewegungen Lateinamerikas. Anschließend zeigte das Forum einzelne Problematiken unterschiedlicher Regionen auf: mit Live-Berichten aus Chile, El Salvador, Ecuador und Brasilien war ein guter kleiner Querschnitt durch Lateinamerika mit seinen insgesamt über 800 verschiedenen indigenen Völkern und noch mehr indigenen Sprachen gelungen.

Zur Corona-Krise sagte Prof. Wenz, dass sie die Probleme „wie in einem Brennglas“ verdeutliche. So z.B. die Defizite im Gesundheitssystem. Dies bestätigten auch die zugeschaltetenReferent*innen – allesamt Angehörige von Protestbewegungen in Lateinamerika – in ihren Berichten. „Die Regierung möchte zu den alten Zeiten zurückkehren und die Demokratie gefährden“, erzählte zum Beispiel Zulma Larin, die in El Salvador bei der Bewegung „Red de Ambientalistas Comunitarios de El Salvador“ mitwirkt. Die Pandemie sei von der Regierung genutzt worden, um beispielsweise soziale Güter zu privatisieren.

Insgesamt war festzustellen, dass die Folgen der Pandemie noch nicht abzusehen sind. Das Lateinamerika-Forum verdeutlichte jedenfalls, dass die globale Perspektive weiterhin gefördert werden muss, Menschen und Organisationen über die Grenzen hinweg aktiv werden müssen, und auch wir als NES weiter informieren und  Handlungsperspektiven aufzeigen müssen.

Mehr zum Inhalt und Programm des Lateinamerika-Forums auf unserer Webseite.

Tipps, wie man helfen kann hier.

Das Forum mit seinen Organisatorinnen, Referent*innen und Teilnehmenden.