Hallo und Bonjour! Wir sind Assubel aus Kamerun und Manuela aus Saarbrücken. Seit Anfang Dezember arbeiten wir zusammen an einem Projekt beim Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e.V. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Erklärvideos zum deutschen Kolonialismus zu erstellen, welche als Zielgruppe Schüler*innen aus dem Saarland und dem globalen Süden haben. Doch wie kamen wir dazu?
Assubel und ich nehmen an einem Bildungsprogramm teil. Dieses heißt kulturweit-Tandem und wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Es ist Teil des Maßnahmenkataloges der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Es setzen sich jeweils zwei Teilnehmer*innen aus einem afrikanischen Land und Deutschland mit der Geschichte des Kolonialismus und seinen Auswirkungen auf die Gegenwart auseinander. Zusammen entwickeln sie Projekte gegen Rassismus, die in Theatern, Museen und Schulen, bei Vereinen, Initiativen oder in Betrieben in Deutschland umgesetzt werden.
Das kulturweit-Programm besteht aus einem zweimonatigen, alltagsbegleitenden Sprachkurs, einem dreiwöchigen Seminar in Nairobi, Kenia und einer dreimonatigen Projektphase in Deutschland.
Assubel lernt Deutsch und ich versuche mich an Französisch. Die Sprachkurse haben wir schon abgeschlossen und nun versuchen wir im Tandem uns auf beiden Sprachen zu unterhalten. Unsere Zeit in Kenia haben wir auch schon hinter uns. Wir hatten viele Seminare und Workshops rund um das Thema Kolonialismus, spannende Diskussionen und Vorträge. Insgesamt war die Zeit in Nairobi eine super Erfahrung, bei der wir auch die anderen Tandems, die nun in ganz Deutschland verteilt sind, kennengelernt haben. Durch den Austausch haben wir uns ein Grundwissen angeeignet, das wir nun ausbauen und in der Projektphase in Deutschland anwenden. Wir wollen mit unseren Erklärvideos auf den deutschen Kolonialismus aufmerksam machen und vor allem aufzeigen, welche kolonialen Kontinuitäten noch heute im globalen Norden und insbesondere im globalen Süden bestehen. Damit würden wir Schüler*innen gerne zum Nachdenken und Handeln bewegen und uns so für eine Welt ohne Diskriminierung engagieren.
Wenn Du dich auch für das Bildungsprogramm interessierst, gibt es hier alle Informationen rund um das Programm und die Bewerbung: https://www.kulturweit.de/tandem
Beim NES e.V. wird das kulturweit-Tandem von CHAT der WELTEN im Saarland betreut.
Prof. Dr. Titus Ofalo Pacho berichtet über die Folgen des Klimawandels. Für ihn ist die globale Erhitzung eine der größten Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert. Nordkenia sei dieser am Meisten ausgesetzt.
Als Folgen nennt er unter anderem die extreme Dürre und den daraus resultierenden Nahrungsmangel, hungernde Menschen, bis hin zum Tod durch Nahrungsmangel. Auch das Vieh sei gestorben aufgrund der Dürre und andere Lebewesen, die unter der Dürre leiden. In den Nachrichten wurde zum Beispiel berichtet, dass in den letzten zehn Monaten 205 Elefanten gestorben seien aufgrund der Dürre.
Die Mangelernährung führe auch zu Krankheiten, insbesondere bei Kindern. Außerdem kommt es zu gefährlichen Situationen für vor allem Frauen und Kinder, die weite Distanzen zurücklegen müssen, um Wasser zu finden. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen haben viele Menschen ihr Zuhause verlassen. Eine weitere Konsequenz des Nahrungsmangels ist ein Ausfall des Schulunterrichts und Heirat in jüngerem Alter um Nahrungssicherheit herzustellen. Durch den Mangel an Nahrungsmittels wird auch er Tourismus eingeschränkt, der weniger attraktiv ist.
Prof. Dr. Pacho fordert einen Wandel des Lebensstils, Umstieg auf erneuerbare Energien und Aufforstung. Als positives Beispiel nennt er das von ihm zuletzt besuchte Land, Finnland, welches zu 75 % aus Wald besteht. Insbesondere im Bereich der Solarenergie sieht er große Chancen, um den CO2-Ausstoß und Folgen des Klimawandels zu mindern.
Rosa Isabas Galeano und Enrique Picado Álvarez sind Aktivist*innen aus El Salvador und Nicaragua. Im Oktober sind sie zwei Wochen durch Deutschland gereist, um über die Preissteigerungen und die daraus entstehenden Herausforderungen in Zentralamerika zu informieren.
Nicht nur im Saarland, in Deutschland und Europa, sondern überall auf der Welt sind Menschen mit den steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert. Was das für uns hier im Saarland bedeutet und im Vergleich für Menschen aus Ländern in Zentralamerika, wurde am 10. Oktober in einer Diskussion mit Gästen aus Nicaragua, El Salvador und dem Saarland im Saarbrücker Filmhaus zum Thema gemacht. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e. V. in Kooperation mit der Saarländischen Armutskonferenz, der Arbeitskammer des Saarlandes und dem Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e. V..
Zunächst berichtete Rosa Isabas Galeano aus El Salvador (RACDES) über Missstände in ihrem Land: Die Regierung habe 2021 ein neues Wassergesetz zugunsten der großen Plantagen verabschiedet, welches für die allgemeine Bevölkerung keine Vorteile bot (mehr zum Gesetz hier). Außerdem finden junge Menschen nach dem Uni-Abschluss keinen Job und emigrieren nach Amerika. Viele würden auf dem Weg durch Mexiko sogar sterben. Ein weiteres Problem sei die Diskriminierung der Frauen über 50 Jahren. Sie fänden keinen Job und verkaufen oft Dinge auf der Straße wie z. B. Wasser oder Süßigkeiten.
Enrique Picado Álvares aus Nicaragua (MCN)bedauert, an diesem Tag über Armut referieren zu müssen und nicht über Reichtum. Wie ist es zu dieser Armut in Nicaragua gekommen? Migration sei auch hier ein Ergebnis dieser Armut. Alle Menschen der Organisation Movimiento Comunal Nicaragüense von Picado sind freiwillige Mitarbeiter aus der Gemeinde. Sie arbeiten auf verschiedenen Gebieten, zum Beispiel zu Klima und Gesundheit. Sie arbeiten in verschiedenen Netzen für das Wohlergehen und Menschenrechte auf dem Land und in Städten. Nicaragua kämpfe zwischen Armut und Reichtum. Die makroökonomische Situation sei zwar stabil, aber was die einzelnen Menschen in der Tasche haben – da sehe es düster aus. Das makroökonomische Niveau habe mit den Menschen auf der Straße nichts zu tun.
Was Rosa Isabas Galeano berichtet hat, gelte auch für Nicaragua, aber auch für Costa Rica. Es gäbe Familien, die können nicht alle Kinder in die Schule schicken, weil sie kein Geld dafür haben. Luxus wie Ausgehen oder Essen gehen, können sie sich sowieso nicht leisten. Viele sind gezwungen, auszuwandern. Man könnte trotzdem über Programme sprechen, die sich positiv entwickelt haben. Das Gesundheitswesen habe sich zum Beispiel verbessert. Wir haben eine gute Infrastruktur, wir haben gute Schulen, universelle soziale Programme:
„Einer Frau wird zum Beispiel eine Kuh, Schwein oder Henne gegeben, um eine Grundlage aufzubauen.“
Eine große Ungleichheit entstehe auch dadurch, dass circa 30 % der Schwangerschaften, Mädchen unter 18 Jahren treffe. Sie können dann nicht zur Schule gehen und ihren Träumen nachgehen.
„Das kapitalistische System unseres Landes bringt uns bei, dass die Armen Schuld sind, dass sie arm sind.„
Weitere Probleme seien hohe Lebenshaltungskosten für Klamotten, Schule oder Studium. Große Unternehmer sind nicht an Sozialem interessiert. Die Allerschwächsten / Frauen sind im Griff des Marktes und es gibt keinen Schutzmechanismus. Es sind natürlich auch die lokalen Märkte, die Schuld sind, die wiederum von den großen internationalen Unternehmen abhängen, welche die Umwelt zerstören und z. B. Wasser verschmutzen. Ein weiteres Beispiel sind die Pharmaunternehmen und die Abhängigkeit von teuren Medikamenten. Wir haben viele Motive, uns einzusetzen / zu kämpfen. Die Herausforderung sei der Umweltschutz, Schutz der Wälder, der Tierwelt und Gewässer. Ein Hurrikan habe gerade El Salvador verlassen, erzählt Picado, jetzt gehe er in Richtung Guatemala, die Häuser böten nicht den notwendigen Schutz.
„Gemeinsame Ziele, wofür wir kämpfen sollten, ist der Schutz unserer Menschenrechte. Das betrifft Menschen in Deutschland, sowie in Nicaragua und El Salvador“
Mit dem Vortrag von Michael Leinenbach (Vorsitzender der saarländischen Armutskonferenz) wird klar, dass es auch in Deutschland große Missstände gibt, die durch steigende Lebenshaltungskosten verstärkt werden. Anhand von Einzelschicksalen verdeutlicht er, wie Menschen aus unserem System fallen.
Nach dem Vortrag blieb Zeit für Fragen und eine Diskussion über Handlungsoptionen in den verschiedenen Ländern.
Herr Kouadio berichtet über die Auswirkungen der Pandemie in Elfenbeinküste.
Man hat versucht, die verschiedenen Maßnahmen einzuhalten und die Leute zu sensibilisieren, damit sie sich der Pandemie bewusst werden. Man hat alles unternehmen, damit alle die Informationen bekommen. Man konnte die Kurse in der Schule auch über das Fernsehen geben. Das ist sehr positiv verlaufen. Wir haben viel gelernt und wurden gelehrt, dass wir gemeinsam etwas machen müssen und die Pandemie niemanden verschont. Egal ob reich oder arm, man sollte die Schutzmaßnahmen einhalten. Wir haben gelernt, wie man mit Problemen umgehen und sich auf neue Situationen einstellen kann. Die Menschen sind alle gleich. Wir teilen die gleiche Erde, den gleichen Planet und wir sollten gemeinsam handeln.
Rückblick zur Veranstaltung im Rahmen der EPOBITs 2022 mit Südgästen vom 6. Juli im Theaterschiff Maria-Helena.
Im Rahmen der Entwicklungspolitischen Bildungstage im Saarland 2022 waren nach dem Vortrag von Claudie Jenkes über die Folgen der Pandemie auf das Gesundheitssystem unterschiedlicher Länder, Gäste aus dem Globalen Süden: U. a. Lama Samten aus Ladakh im Himalaya und Laura Vásquez aus Marcala, Honduras. Wie sie die Folgen der Pandemie auf das Gesundheitssystem erleben, davon konnten sich die Besucher*innen an diesem Abend ein Bild verschaffen.
Lama Samten aus Ladakh im Himalaya war in Deutschland, als die Pandemie nach Europa kam
„Durch die Zeit mit Covid19 ist die Vergänglichkeit von Leben und Gesundheit noch einmal in unser Bewusstsein gerückt. Ich habe in Deutschland die gute Versorgung gesehen. In Indien ist das eine andere Geschichte. Die Pandemie hat unser stabiles Leben in den Bergen erschüttert. Eigentlich sollten wir vorbereitet sein auf solche Krankheiten. Bei uns haben 240 Menschen das Leben verloren wegen Covid19. Außerdem leben sehr viele Menschen vom Tourismus und es gab zweieinhalb Jahre quasi keinen Tourismus, das ist schwer gewesen für unsere kleine Gegend. 30 Menschen haben sich selbst umgebracht wegen Stress und Problemen. Das größte Problem war der fehlende Sauerstoff in Indiens Krankenhäusern. In Ladakh wurden jetzt drei Stellen gebaut, wo täglich genügend Sauerstoff gewonnen werden kann. Seit einer Woche sind die Zahlen wieder so hoch, dass es erneut Maskenpflicht gibt. Ein anderer Aspekt ist, dass während der Pandemie keine gemeinsamen Rituale und Gebete organisiert werden konnten. Viele Menschen hat dies im Herzen verletzt, immer noch nach zwei Jahren. Diese Zeremonien dauern 7 bis 10 Tage und sind sehr wichtig für die Menschen. Wenn wir wirklich mit Umwelt, Natur und den Ressourcen besser umgehen, heißt das auch bessere Gesundheit und weniger Probleme in Zukunft.„
Laura Vásquez aus Marcala, Honduras
„2021 waren 29% der Bevölkerung vin La Paz mit Covid19 infiziert. Ich bin Produzentin von Bio Kaffee. Wir haben für infizierte Menschen eine Hotel als Quarantäne-Ort eingerichtet, wo wir die Menschen so gut es ging versorgt haben. Wir haben bei Fairtrade International nach Hilfe gefragt und sie haben uns Masken und andere Hygieneartikel geschickt, die wir brauchten. Spendengelder haben wir an die Bevölkerung weitergegeben, so viel wir konnten. Wegen fehlender Smartphones und Computer war ein Home Schooling vielerorts schwierig, viele waren ausgeschlossen. Wir haben aber noch eine andere Krankheit, eine Influenza, die die Atemwege betrifft, die auch ein schlimmes Problem ist. Hier in Honduras haben wir nicht die Mentalität, Gesundheitsprobleme präventiv anzugehen. Seitdem ich denken kann, ist es bei Gesundheitsproblemen wie mit dem Feuer: Wir versuchen es zu löschen, aber nicht zu verhindern, dass es ausbricht. Der Lichtblick ist für mich, dass wir uns immerhin Mühe geben, das System zu verbessern.“
Herr Diouf ist Gymnasiallehrer für Deutsch als Fremdsprache in Senegal. Für uns hat er über die Auswirkungen des Ukraine Krieges in Senegal gesprochen. Hier gibt es weitaus drastischere Preissteigerungen als in Deutschland.
Die Preise für Lebensmittel oder Materialien für den Hausbau haben sich zum Teil verdoppelt. Die Ernten waren schlecht, da es nicht viel geregnet hat in der Regenzeit und die Kosten für die Ernte sind teurer geworden. Als der Präsident letztes Mal in Russland war hat er einen Vertrag mit Putin geschlossen, dass Getreide aus der Ukraine exportiert werden kann (mehr zum Thema bei der Süddeutschen).
Herr Diouf beteiligt sich unter anderem auch am bundesweiten Projekt „Chat der Welten“, bei dem Schulklassen oder Gruppen aus Deutschland sich mit Menschen aus dem Globalen Süden unterhalten können, um einen spannenden Perspektivwechsel zu erleben.
Ruth und Askwar Hilonga erzählen, wie sie ihr eigenes Business„Gongali Model“ in Tansania starteten. Beide haben sich in Südkorea kenngelernt, wo sie studiert haben. Ruth ist CEO von Gongali Model und hat Business Management studiert. Askwar ist nach dem Chemieingenieurwese-Studium Professor an der Nelson Mandela Universität in Tansania.
Der Videobeitrag ist in englischer Sprache. Wir haben für Sie in diesem Beitrag die Zusammenfassung in deutscher Sprache aufbereitet. Die Plattform Youtube bietet bei diesem Video automatisch erzeugte Untertiteln sowohl in englischer, als auch in weiteren Sprachen an.
Mit der gemeinsamen Firma haben sie verschiedene Produkte, Nanofilter, Wasserreinigungssystem, Biogasanlagen oder Solaranlagen auf den Markt gebracht. Ihr eigenes Empowerment-Zentrum soll junge Start-ups unterstützen, ihre innovativen Ideen umzusetzen. Mittlerweile gibt es internationale Kooperationen mit 77 verschiedenen Partnern rund um die Welt. Eines davon ist das Blue Future Project aus Saarbrücken. Askwar ist stolz, mit diesem Projekt zusammenzuarbeiten.
Als sie damals in Südkorea ein weit entwickeltes Land gesehen haben, beschlossen sie, eine Firma zu gründen, um das eigene Land und dessen Innovationen und Ideen weiterzubringen. Inspiration, Kooperation, neue Jobs, das sind einige Ziele von „Gongali Model“. In Südkorea wurde für Ruth klar, dass die Fortschritte nicht in das Land gebracht wurden, sondern von den hart arbeitetenden Menschen dort selbst kommt. Trotzdem gehen die Menschen sparsam mit ihren Ressourcen um. Für Ruth war es eine besonders eindrückliche Erfahrung bei der „Young African Leaders Initiative“ von Barack Obama für 7 Wochen teilzunehmen, wo ihr Kontakte, Wissen, Insparation und andere Skills vermittelt wurden.
Die Corona-Pandemie verlief in Ostafrikanischen Ländern nicht so schlimm wie in anderen Ländern, unter anderem, da es eine alte Tradition der Hygiene gibt. Hände waschen ist zum Beispiel wichtig, es wird schließlich mit den Händen gegessen. Als besonderes Zeichen von Respekt, hilft man einem Besucher, sich die Hände zu waschen. Außerdem leben die Menschen in Tansania nicht so eng und haben oft viel Platz und einen Garten um das Haus. Es gab in Tansania keinen Lockdown, weil es nicht möglich gewesen wäre, dann hätten die Menschen nicht mehr ihre Miete und Essen bezahlen können. Ruth vermutet außerdem in ihrem natürlichen und frischen Essen, eine gute Vorbeugung vor Corona bzw. einem schweren Krankheitsverlauf. „Mein Gefrierschrank ist meistens leer, weil ich am Liebsten frische Lebensmittel esse“, sagt sie. Meistens trinken sie Tee mit frischen Kräutern.
Ein weiteres Problem sei ganz klar der Klimawandel, der auch Ruth und Akswar betrifft. Der Regen beginnt im Oktober normalerweise und im Dezember gibt es die Ernte. Jetzt hat sich das Wetter geändert und es gibt ausgetrocknetet Gegenden oder überflutete Bereiche. „Es ist ein Problem der Menschheit und sollte auch von der globalen Menschheit behandelt werden“, ist die Meinung von Askwar. Wenn in Tansania die Kohleförderung gestoppt werden soll, braucht es andere Lösungen. Die Preise für erneuerbare Energien müssen zum Beispiel gesenkt werden. Es braucht eine bessere Finanzierung dafür. “Let’s go green”, fordert Askwar zum Handeln auf. Die Zusammenarbeit mit dem Blue Future Projekt hat ihm gezeigt, dass es eine gemeinsame Mission gibt. Die beiden möchten eine Plattform bieten, um solche Projekte zusammenzubringen und zu fördern.
Großes Danke Schön an Daniel Wiersbowsky, BlueFuture Project, der das Interview möglich machte.
Ein Nachbericht zur ersten Veranstaltung zum Thema „Orangen“.
Sklaverei ist ein Thema der Vergangenheit?! Das ist die Ansicht vieler Menschen in Deutschland. Bei der Veranstaltungsreihe „Ziel: Lieferketten mit Verantwortung“ von dem Saarbrücker Verein „mehr Wert!“, die am Montag mit dem Thema „Orangen“ begann, wird etwas anderes deutlich. Drei von vier Gläsern Orangensaft stammen aus Betrieben mit illegalen, unterbezahlten Arbeitern, ohne ausreichende gesundheitliche Versorgung, eigene Wohnung oder sanitäre Anlagen. Wenn wir im Supermarkt Obst oder Gemüse wie Orangen, Mandarinen, Tomaten und anderes kaufen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir damit ein Wirtschaftssystem unterstützen, welches auf der Ausbeutung von Menschen basiert. Wie es zu diesen ausbeuterischen Zuständen kommt und was passieren muss, um Missstände zu verhindern und aufzudecken, damit beschäftigt sich der Verein mehr Wert! In weiteren fünf Online-Veranstaltungen am 10., 13., 14., 15. und 16. Dezember jeweils online 18 bis 20 Uhr, außer der Veranstaltung am Mittwoch, 15. Dezember im Rahmen der Reihe „Cinema for Future“ im Filmhaus Saarbrücken.
Am Montag teilten gleich drei hochkarätige Referent*innen ihr Wissen mit den Teilnehmenden. Gilles Reckinger, Ethnologe und Buchautor („Bittere Orangen“) zeigte die Wege der zum Großteil aus afrikanischen Ländern über Lampedusa geflüchteten, „gesichtslosen“ Menschen auf. In Kalabrien besuchte er mehrere Slums, um mit den Arbeitern in Kontakt zu kommen.
„Dass sie überhaupt überleben können, geschieht, weil sie sehr solidarisch untereinander sind. Viele unterschiedliche Länder, Religionen, Sprachen. Das interkulturelle Zusammenleben funktioniert sehr gut.“ (Gilles Reckinger)
Zwangsarbeit (oder Sklaverei, wie Gilles Reckinger sie nennt), ist eine Steigerung der Ausbeutung. Sie entsteht durch den Umstand, dass die vulnerable Situation der Flüchtlinge (Aufenthaltsstatus, Armut, Ausgrenzung/Marginalisierung bzw. soziale Isolation) von Plantagenbesitzern wie Importeuren ausgenutzt wird, sodass sie gezwungen sind, für Hungerlöhne weit unter den sonst üblichen Löhnen zu arbeiten. Sie verdienen so wenig, dass sie weder weiterggehen können, noch zurück in ihre Heimat. Die Plantagenbesitzer wiederum können dem Weltmarkt sowieso nur mit diesen Arbeitkräften standhalten. Der Preisdruck von Supermarktketten ist groß. Eine Kiste Orangen bringt 50 Cent. „Das bildet sich im Preis, den wir im Supermarkt zahlen gar nicht mehr ab.“ Die Arbeiter sparen sich dabei Woche für Woche noch ein paar Cent vom Mund ab, um es der Familie in der Heimat zu schicken.
Eva-Maria Reinwald vom Institut Südwind zeigte auf, welche Bemühungen es in der Politik gibt, um solche Zustände zu verhindern, wie das italienische Anti-Sklaverei-Gesetz, das festhält, dass Arbeitgeber für Missstände haften. Infolge gab es Kontrollen bei Agrarbetrieben, aber hier mangelt es personellen Ressourcen. Die Bemühungen reichen noch nicht aus, um Arbeitsbedingungen wirksam zu verbessern. Die Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen betonen die Verantwortung der Unternehmen für eine menschenrechtliche Sorgfalt in ihrer Geschäftstätigkeit. Dies beinhaltet, dass Unternehmen eine entsprechende Grundsatzerklärung öffentlich machen, menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten ermitteln und Analysetools in ihren Strukturen verankern müssen und ggf. geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, wenn sie Risiken in ihren Lieferketten erkennen. Zu der Sorgfaltspflicht gehört auch, dass die Unternehmen über ihre Bemühungen berichten, Beschwerdemechanismen für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen einrichten und ggf. Abhilfe schaffen müssen..
„Unternehmen müssen reflektieren, was ihr Beitrag dazu ist, dass die Ausbeutung weiterhin so stattfindet. So können sie Druck auf die Lieferkette ausüben“, so Reinwald.
Missstände seien hinlänglich bekannt. Als politische Perspektive nennt sie das Lieferkettengesetz mit der Pflicht zur menschlichen Sorgfalt, welches ab 2023 für Unternehmen ab 3000 Mitarbeitenden und 2024 für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden in Kraft tritt. Diese müssen sich aber nur verantworten, wenn sie schon konkrete Hinweise auf Missstände hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden bei nachgeordneten Lieferanten haben. Betroffene können Hinweise an Behörde leiten, aber selbst nicht klagen. Perspektivisch sollte die Vergabe von Fördermitteln, bspw. der EU an Plantagenbetreiber und Landwirte daran geknüpft sein, dass sie sich an Vorgaben halten.
Dominik Groß, Campaigner bei „Our Food. Our Future“ und Referent bei der christlichen Initiative Romero stellte als Ausblick seine Kampagne vor, die Einfluss auf politische Prozesse nehmen möchte. Die Aufklärung der Konsumenten steht hier nicht im Vordergrund, die Kampagne zielt eher auf politische Prozesse: Gespräche suchen mit Politikern vor Ort, Personen und insbesondere Jugendliche unterstützen, die sich einbringen möchten. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit Partnern aus dem Süden, Reisen mit Menschenrechtsverteidigern aus dem Globalen Süden, aber auch aus europäischen Ländern und die Organisation von Treffen mit politischen Entscheidungsträgern. Die Kampagne will dem Verbraucher einen fairen und nachhaltigen Einkauf von Lebensmitteln ermöglichen und eine Markttransparenz herstellen. Zwar gebe es einen Trend zu fairem Einkauf und Bewusstsein von Konsumentinnen, um die Problematik aber ernsthaft anzugehen, brauche es stärkere Instrumente, als der Apell an die Verantwortung der Konsumentinnen. Die drastische Situation verdeutlicht sich, als er von der Studie „We world“ in Italien zu Menschenrechtsverletzungen im Gemüseanbau berichtet (80% der Erträge gehen nach Deutschland). Die Macher*innen der Studie stehen unter Polizeischutz.
„Ein Europäisches Lieferkettenschutz-Gesetz wäre gut, was deutsche Fehler ausbügelt.“, so die Hoffnung. „Oder, dass die Koalitionäre sich zusammensetzen und das deutsche Lieferkettengesetz nachbessern.“
Interessierte können sich jetzt schon stark machen im Rahmen einer Protestmailaktion (Link hier), die sich an verantwortliche EU-Kommissarinnen und Kommissare richtet, und zeigen, dass wir wissen, was ein gutes Gesetz braucht und dass gerade für den Agrarsektor bestimmte Inhalte besonders wichtig sind: ein besonderer Schutz von Migrant*innen und Frauen und das Schließen von Lücken, sodass die gesamte Lieferkette eingeschlossen.
Karen Romero ist mit 14 Kolleginnen im letzten Jahr nach Saarbrücken gekommen, um dort als Krankenschwester zu arbeiten. Beim Lateinamerika-Forum (gesamtes Programm hier) referierte sie am Nachmittag über den Reichtum und gleichtzeitig die Armut Mexikos und die Konsequenzen der Corona-Pandemie, insbesondere für die ärmere Bevölkerung in Mexiko in den sogenannten Favelas.
„Mit Favela (aus dem Portugiesischen entlehnt für „Armenviertel“ oder „Elendsviertel“) werden die besonders in Randlagen der großen Städte Brasiliens liegenden informellen Siedlungen oder auch Marginalsiedlungen bezeichnet, bei denen ein großer Teil der Bewohner über einen nur geringen Grundbesitz verfügt.“ (Wikipedia.org)
Karen Romero erzählte von der interessanten Geschichte Mexikos, die viele Tausend Jahre alt ist. Auch darum ist Mexiko heute in der Welt bekannt und als Reiseland für viele so beliebt und einzigartig. Mexiko ist unheimlich reich an Kultur, betreibt viel Fischerei und es gibt über 68 verschiedenen Sprachen, viele davon von der „Native“ Bevölkerung, die noch zusätzlich unterteilt sind. Gleichzeitig herrscht dort eine große Armut. Laut Karen Romero haben 9,5 Prozent der Bevölkerung gar nichts und 46,2 Prozent der Bevölkerung haben gerade so viel, dass sie überleben können. 7 von 10 Menschen können ihre Grundbedürfnisse nicht decken und haben keinen Zugang zu ausreichend Grundnahrungsmitteln. Ein weiteres großes Problem sei die Gewalt, dazu gehöre auch das traurige, aber wichtige Thema der Feminizide. Die 20 Millionen Einwohner*innen haben sehr unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie gelitten. Zwar gäbe es in Mexiko ein universelles Recht auf Gesundheit, jedoch fehlte während der Pandemie die grundlegende medizinische Ausrüstung. Teilweise hatte nicht einmal das medizinische Personal Masken, um sich zu schützen. Die Ärmsten kamen überhaupt gar nicht erst ins Krankenhaus, weil sie kein Geld haben und keine Versicherung. Das Personal ist teilweise arbeiten gegangen, trotz Covid-Erkrankung, weil solch ein Mangel herrschte. Mexiko leidet immernoch an den Folgen der Unterdrückung von Spanien und geerbten Strukturen. Diese Strukturen sind korrupt, frauenfeindlich und racist. Die Korruption in Mexiko umfasst das gesant politische Struktur und Gesellschaft.
Momentan sind in Mexiko 46% der Bevölkerung zum ersten Mal geimpft und 20% haben die zweite Impfung. Normalerweise hatte Romero am Tag ungefähr sechs Patient*innen, unter Corona sind es 15 bis 30 am Tag. Auch einer der Gründe, weshalb sie nach Deutschland kam. In Mexiko sind die Arbeitsbedingungen als Krankenschwester schlecht, obwohl sie 4 bis 5 Jahre studieren müssen und danach noch zwei Jahre Ausbildung oder Master machen. Es gibt nicht die notwendigen Strukturen zur Behandlung aller und kein angemessenes Gehalt. Für Romero keine einfache Entscheidung, nach Deutschland zu kommen.
Karen Romero gründete einen Verein, der sich mit der Frage der Migration und Partizipation in der Gesellschaft auseinander setzen möchte.
Camilo Berstecher, der Moderator, ist Mitgründer der Initiative „Zentrum für künstlerische Intelligenz und Institut für gescheiterte Ideen“, ein Kollektiv aus AktivistInnen und KünstlerInnen, welches sich mit sozialen und ökologischen Themen beschäftigt.
Am 15. Oktober um 17 Uhr besuchen uns drei Vertreterinnen des Sarayaku-Volkes im Kino 8 1/2 in Saarbrücken.
Helena ist 17 Jahre alt und studiert in Finnland. Ihr Vater, ein Schwede, und ihre Mutter, eine indigene Kichwa des Sarayaku-Volkes, leben im Herzen des ecuadorianischen Amazonas. Der Film begleitet Helena auf ihrer jüngsten, bewegten Reise nach Ecuador. Dort erfährt sie zunächst mehr über „Kawsak Sacha – der lebendige Wald“, einer Philosophie, die den Dschungel als ein Lebewesen begreift. In der Stadt nimmt sie dann am traditionellen Festival „Uyantza Raymi“ teil. Während sie aus den Nachrichten erfährt, dass ein Virus namens Corona die Welt befällt, überrascht es sie schon direkt in der nächstgelegenen Stadt der Region, Puyo, wo sie den Lockdown verbringt. Und dann läuft auch noch der Bobonaza-Fluss über – eine Flut, wie es sie noch nie gegeben hat. Der Dokumentarfilm „Helena de Sarayaku“ von Eriberto Gualinga zeichnet nicht nur ein mitreißendes Portrait einer jungen, engagierten Frau „zwischen den Welten“. Er ermöglicht auch einen hautnahen Einblick in eine andere Kultur und in das aktuelle Geschehen in Ecuador. Vor allem zeigt uns Helena auch, dass „Zeit ist, aufzuwachen!“.
Nach dem Film besteht die einmalige Möglichkeit, mit drei Vertreterinnen des Sarayaku-Volkes, die an diesem Abend in Saarbrücken zu Besuch sind, zu diskutieren!
Der Eintritt ist frei. Kooperationspartner der Veranstaltung sind das Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e.V., Terra Utopia e.V., Casa Nicaragua und Sarayaku.
Am 22., 24. und 26. Oktober um 20 Uhr findet die Filmvorstellung „Dear Future Children“ im Kino 8 1/2 statt. Hier mehr Info.