Schuldenkrise in Sri Lanka: „Wir wollen, dass den Menschen kein weiteres Leid zugefügt wird!“

In diesem Beitrag sind wir im Gespräch mit Ermiza Tegal . Anlass ist die Tagung „Menschenrechte statt Schuldendienst!“, die im September in Saarbrücken stattfindet. Ermiza Tegal ist Juristin mit einem Masterabschluss in Recht, Governance und Entwicklung von der School of Oriental and African Studies in London und hat fast zwanzig Jahren Erfahrung als Anwältin in den Bereichen öffentliche Grundrechte, Land-, Arbeits- und Familienrecht.

Seit Sri Lanka 2022 seine Auslandsschulden nicht mehr bedienen konnte, hat die Regierung Sparmaßnahmen und repressive Gesetze durchgesetzt. Ermiza Tegal klärt Bürger:innen über die Auswirkungen dieser Gesetze auf und vertritt Einzelpersonen vor Gericht, die Opfer von Polizeigewalt und staatlicher Unterdrückung geworden sind.

Im Jahr 2022 konnte Sri Lanka seine Auslandsschulden nicht mehr zurückzahlen. Wie wirkte sich die Schuldenkrise auf den Alltag der Menschen aus?

Ermiza Tegal: Das Land geriet in eine katastrophale Lage. Es gab viele Engpässe bei der Versorgung mit Treibstoff, Lebensmitteln und medizinischen Gütern. Die Menschen spürten diese immensen Auswirkungen unmittelbar. Dadurch kam es zu Massenprotesten, die dazu führten, dass der Präsident das Land verließ. Doch statt Neuwahlen durchzuführen, ernannte die parlamentarische Mehrheit des ehemaligen Präsidenten lediglich einen Verbündeten zum Nachfolger. Die Regierung besitzt in den Augen der meisten Menschen in Sri Lanka daher keine Legitimation.

Wie ist die Situation heute?

Zwar gibt es keine Schlangen für lebenswichtige Güter und sichtbaren Engpässe mehr, aber die Lebenshaltungskosten sind massiv gestiegen. Güter wie Treibstoff und Lebensmittel sind also verfügbar, aber viele Menschen können sie sich schlicht nicht leisten. Die Regierung hat viele Sparmaßnahmen verhängt und zum Beispiel die Mehrwertsteuer deutlich erhöht. Staatliche Subventionen für Benzin, Strom und Wasser wurden gekürzt. In der Folge wurde mehr als einer Million Menschen – in einem Staat mit 22 Millionen Einwohnern – der Strom abgestellt, da sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. Für die arme Landbevölkerung, die Arbeiter*innen auf den Tee- und Kautschukplantagen und die Armen in den Städten ist die Krise nach wie vor äußerst real und hart.

Zusätzlich zu den Sparmaßnahmen führt die Regierung gerade autoritäre Gesetze ein, die den Protest gegen die Sparpolitik erschweren. Die neuen Gesetze kriminalisieren die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit, einschließlich gewerkschaftlicher Aktionen. Die Polizei reagiert äußerst aggressiv, auch auf kleine Proteste. So wird unmissverständlich die Botschaft vermittelt, dass wir uns nicht beschweren dürfen und die Last auf uns nehmen sollen, die uns auferlegt wird.

Was sollte die Regierung Sri Lankas jetzt stattdessen tun?

Was wir wirklich wollen, ist, dass die Regierung zur Kenntnis nimmt, wie das tägliche Leben der Menschen tatsächlich aussieht und dass die Wirtschaftskrise diejenigen am härtesten trifft, die ohnehin schon benachteiligt sind. Die Regierung muss sicherstellen, dass den Menschen im Rahmen der Schuldenrückzahlung kein weiteres Leid zugefügt wird. Sie soll die Sparmaßnahmen zurücknehmen und Unterstützung sicherstellen, damit die Menschen die Krise nicht nur überleben, sondern zukünftige Generationen auch eine Chance auf Bildung und Entwicklung bekommen. Außerdem müssen die repressiven Gesetze, die die Proteste und Meinungsäußerungen unterdrücken, aufgehoben werden. Und letztlich fordern wir auch, dass die Verhandlungen mit externen Gläubigern so geführt werden, dass die Last nicht auf die Bevölkerung abgewälzt wird.

Das Interview wurde im Sommer 2024 durchgeführt. Wer mehr über die Schuldenkrise in Sri Lanka und die Arbeit von Ermiza Tegal und ihren Kolleg:innen erfahren möchte, hat dazu ganz bald schon Gelegenheit: Bei der Tagung „Menschenrechte statt Schuldendienst!“ von erlassjahr.de in Kooperation mit dem Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland wird sie am Samstag, den 14. September einen Workshop unter dem Titel „Debt and Human rights in Sri Lanka“ geben. Die Tagung findet vom 13.-15. September 2024 in der Europa-Jugendherberge Saarbrücken statt; auch Tagesgäste sind willkommen. Anmeldung und Programm: https://erlassjahr.de/termin/erlassjahr-de-jahrestagung-2024/  

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